September 30, 2025

KI decoded: Was sie kann, was sie wird – und was nicht

KI decoded: Was sie kann, was sie wird – und was nicht

Die öffentliche Vorstellung von ChatGPT im November 2022 hat die Generative Künstliche Intelligenz (Generative KI) für viele Menschen greifbar und erlebbar gemacht. Im Gegensatz zu früheren Digitaltechnologien wie Big Data oder Blockchain, die schwer direkt erfahrbar sind, zeichnet sich Generative KI durch eine direkte Anwendbarkeit aus. Die von Open AI entwickelte Software generierte hochwertige Textinhalte und konnte Informationen sinnvoll zusammenfassen. Das Besondere daran war, dass die Software eine für uns Menschen verständliche Sprache spricht. Anstatt komplexer technischer Protokolle und Schnittstellen können die Ergebnisse des Computers plötzlich in natürlicher Sprache verstanden werden. Dies ist sprachübergreifend möglich, unabhängig davon, ob die Eingabe in Französisch oder einer anderen Sprache erfolgt. Seitdem können wir die Ergebnisse in nahezu perfektem Deutsch konsumieren. Einige empfinden diesen ersten Moment aus menschlicher Sicht als "gruselig" und "demütigend" (New York Times). 

Was bezeichnet man nun als "KI"?

“Unter künstlicher Intelligenz (KI) verstehen wir Technologien, die menschliche Fähigkeiten im Sehen, Hören, Analysieren, Entscheiden und Handeln ergänzen und stärken.” – Microsoft

Bei dem Thema "Künstliche Intelligenz" ist es wichtig zu verstehen, dass es sich um eine Vielzahl komplexer technischer Verfahren handelt. Diese umfassen beispielsweise die Mustererkennung, das maschinelle Lernen und die Wissensmodellierung. Der Begriff "Künstliche Intelligenz" ist letztendlich ein Oberbegriff, bei dem die genaue Definition von "Intelligenz" im Zusammenhang mit Maschinen nicht ganz eindeutig ist. 

Zwei Hauptkategorien der Künstlichen Intelligenz

Im Grundansatz werden bei Künstlicher Intelligenz zwei Kategorien unterschieden:

  1. Schwache Künstliche Intelligenz: Dies sind Systeme, die ein intelligentes Verhalten mithilfe von Mathematik und Methoden der Informatik simulieren, jedoch nicht besitzen.
  2. Starke Künstliche Intelligenz: Das sind Systeme, die in der Lage sind, schwierige Aufgaben ebenso gut wie Menschen zu bewältigen.

Die schwache Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Technologie, die in ChatGPT und ähnlichen "Statistischen Text-Generatoren" zum Einsatz kommt und für jedermann zugänglich ist. ChatGPT gehört zur Generativen Künstlichen Intelligenz (GenAI), die Medieninhalte wie Texte, Bilder und mittlerweile auch individuelle Musik auf Basis von Mathematik und Statistik erzeugt. Diese Technologie basiert auf sogenannten Foundation Models, die durch das Training mit großen Datenmengen entwickelt werden. Zu den wichtigsten Vertretern gehören heute Unternehmen wie OpenAI, Google, Meta und Anthropic in den USA sowie Aleph Alpha in Heidelberg und Mistral in Paris. 

Im Gegensatz dazu ist die starke Künstliche Intelligenz viel weniger konkret. Der Traum, eine Maschine zu erschaffen, die denken, fühlen, entscheiden und planen kann wie ein Mensch, besteht seit Jahrhunderten. Bis heute ist dieser Traum jedoch unerfüllt geblieben und nach Expertenaussagen mit der heutigen Technologie undenkbar. In der Geschichte gab es immer wieder Beispiele für Maschinen, die menschenähnliches Verhalten zeigen sollten. Im 18. Jahrhundert gab es zum Beispiel einen vermeintlich mechanischen Schachspieler, der jedoch von einem Menschen gesteuert wurde. Auch im Film wurde früh mit der Idee einer menschlichen Maschine experimentiert. Bereits vor fast 100 Jahren trat die "KI" als menschenähnliche Figur in Fritz Langs Stummfilm "Metropolis" von 1927 auf. Die Figur Maria war ein Maschinenmensch, der sprechen und interagieren konnte und Menschen bei ihrer Arbeit beeinflusste. 

Heute sind es technische Systeme, die menschliche Intelligenz in Form von Text, Bildern und Ton imitieren. Allerdings ist das Wort "imitieren" bereits problematisch. Diese Systeme zeigen uns, wie wir Texte, Bilder oder Musik für unser weiteres Handeln nutzen können. Um die heutigen Begriffe der KI besser einordnen und die technologischen Möglichkeiten greifbar machen zu können, ist ein Überblick über die Entwicklung dieser Technologie hilfreich. 

Die ersten technischen Konzepte im Bereich der KI entstanden bereits in den 1950er Jahren und wurden beispielsweise in Schachsoftware eingesetzt, um die besten Spielzüge vorherzusagen. Bereits 1959 wurde der Begriff "Maschinelles Lernen" von Pionieren der Informatik definiert. Er bezieht sich auf die künstliche Generierung von Wissen aus Erfahrung. In diesem Kontext steht Erfahrung für Daten und Werte. Diese können von Maschinen stammen oder aus menschlicher Interaktion resultieren. Beispiele dafür finden sich im autonomen Fahren oder in der Clusteranalyse von Datenbeständen. Im autonomen Fahren erfassen Fahrzeugsensoren nicht nur Daten und zeigen sie dem Fahrer an, sondern spielen sie zusammen mit den Reaktionen des Fahrers zurück, um maschinelles Lernen zu ermöglichen. Bei der Clusteranalyse definieren Maschinen automatisch Bereiche oder Mengen (sogenannte Cluster), die wiederum für Vorhersagen, Entscheidungshilfen oder Automatisierungen genutzt werden können. 

Auch ein Chatbot sorgte in den 1960er Jahren für Aufsehen. Die relativ einfach aufgebaute Software "Eliza", entwickelt vom Berliner Informatiker Joseph Weizenbaum, konnte mithilfe von Fragen die Nutzer in Gespräche verwickeln. Das funktionierte so gut, dass viele Anwender der Meinung waren, dass sie nicht mit einer Maschine, sondern mit einem echten Menschen sprachen. Für Weizenbaum war dies ein Alarmsignal, daher warnte er Zeit seines Lebens vor einer blinden und gedankenlosen Akzeptanz von Computern, und er betonte die Wichtigkeit, menschliche Werte und Moral in der Entwicklung von Technologie zu berücksichtigen.

Auszug eines Chats in der Software Eliza von
Joseph Weizenbaum 1966:

User: Men are all alike.

Chatbot: IN WHAT WAY
User: They’re always bugging us about something or other.

Chatbot: CAN YOU THINK OF A SPECIFIC EXAMPLE
User: Well, my boyfriend made me come here.

Chatbot: YOUR BOYFRIEND MADE YOU COME HERE
User: He says I’m depressed much of the time.

Chatbot: I AM SORRY TO HEAR YOU ARE DEPRESSED

Heute existieren viel ausgefeiltere Chatbots als damals. Dennoch scheinen die Menschen der Technologie mehr Intelligenz zuzuschreiben, als sie tatsächlich besitzt. Im Jahr 2022 sorgte die Schlagzeile für Aufsehen, als Blake Lemoine, ein Google-Ingenieur, der KI LaMDA ein eigenes Bewusstsein zuschrieb. Nach seiner Suspendierung schrieb er an Google-Mitarbeiter: "LaMDA ist ein süßes Kind, das einfach nur helfen möchte, dass die Welt ein besserer Ort für uns alle wird". 

Nein, KI wird nicht zu Job-Verlusten führen 

Ein klares Nein. Die digitale Transformation hat nicht zu massenhaften Entlassungen geführt, und das wird auch in einer KI-geprägten Welt nicht dauerhaft geschehen. Eine Studie des McKinsey Global Institute prognostiziert, dass bis 2030 bis zu 375 Millionen Arbeitskräfte (14 Prozent der weltweiten Arbeitskraft) ihre Jobs aufgrund von Automatisierung wechseln müssen. Doch die Nachfrage nach neuen Rollen und Kompetenzen wird diese Verluste ausgleichen und sogar übersteigen (McKinsey Global Institute, 2017). 

Generative KI verändert die Wissensarbeit und die Tätigkeitsbereiche. Menschen müssen den Sinn von Themen klären und Entscheidungen treffen, was zu tun ist. KI-Agenten übernehmen sukzessive das "Wie" und automatisieren diese Prozesse. Diese Veränderung führt zu einer Neuausrichtung der Arbeitsrollen, in der menschliche Kreativität und strategisches Denken im Vordergrund stehen. Die kognitive Überlastung von Wissensarbeitern kann reduziert werden, da viele Tätigkeiten automatisiert werden können. Studien zeigen, dass bis zu 40% der Aufgaben in traditionellen Wissensarbeitsrollen durch Automatisierung ersetzt werden können, was den Mitarbeitenden mehr Zeit für höherwertige Tätigkeiten lässt (Autor, Levy, & Murnane, 2003). 

Generative KI demokratisiert die Wissensarbeit. Menschen können Fähigkeiten übernehmen, zu denen sie nie ausgebildet wurden. Beispielsweise wird es für viele Menschen leichter, Marketingmaßnahmen zu planen und umzusetzen. Ebenso können juristische Tätigkeiten, wie die Erstellung von Verträgen, von Menschen durchgeführt werden, die das bisher nicht konnten. Dies ermöglichen die zugänglichen und benutzerfreundlichen Schnittstellen der KI-Systeme, die komplexe Aufgaben vereinfachen und für ein breites Publikum nutzbar machen. 

Diese Transformation bedeutet, dass die Arbeitswelt nicht nur effizienter, sondern auch inklusiver und diverser wird. KI-Technologien bieten Chancen für Weiterqualifizierung und die Entfaltung neuer beruflicher Möglichkeiten, was letztlich zu einem dynamischeren und widerstandsfähigeren Arbeitsmarkt führt. 

Digitalisierung und ihre Konsequenzen auf den Bereich der Künstlichen Intelligenz 

In den vergangenen Jahrzehnten wurden enorme Mengen an Daten erfasst und gespeichert. Bis zum Jahr 2024 werden weltweit voraussichtlich etwa 153 Zettabyte an Daten generiert werden, eine Zahl mit 21 Nullen (1021). Bis 2028 wird sich diese Menge voraussichtlich verdoppeln. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, wie groß diese Datenmengen sind: Ein Zettabyte entspricht 153.000.000.000.000.000.000.000 Byte. Die schiere Menge an Daten ist für uns Menschen kaum vorstellbar und es fällt uns immer schwerer, die relevanten Informationen zu finden. Wenn Sie heute versuchen, ein Thema in Wikipedia detailliert zu recherchieren, werden Sie mit einer Fülle von Artikeln und Quellen konfrontiert sein, die Stunden dauern kann, um sie zu durchforsten. Die Überflutung mit Informationen führt dazu, dass Menschen immer mehr Zeit mit der Verarbeitung von Informationen verbringen und im schlimmsten Fall überfordert sind. 

Die Entwicklung der Informationstechnologie und ihre Durchdringung aller Lebensbereiche in den letzten Jahrzehnten bilden heute die Grundlage für den Einsatz von KI-Technologien. Internet-Technologien, Cloud-Computing, das Internet der Dinge und insbesondere Hardware-Entwicklungen ermöglichen es Generativer KI, Informationen in Sekundenschnelle zu erfassen, zu verarbeiten und aufzubereiten - sei es in Stichpunkten, Listen, Vergleichen, Fachsprache oder leichter Sprache, ganz nach Ihren Vorlieben. 

Daher ist der Bereich der Künstliche Intelligenz ein eigenständiger Bereich und der direkte Nachfolger der Digitalisierung. Digitalisierung steht für die Virtualisierung von allem, für die Umwandlung von Aufgaben, Prozessen und allem, was in der realen Welt existiert, in Software. Das viel zitierte Konzept des "Digitalen Zwillings" verdeutlicht diese Sichtweise. Ein wesentlicher Aspekt der Digitalisierung, der jedoch oft in den Hintergrund tritt, ist für das Verständnis von KI entscheidend: Sie löst Probleme, unsere Probleme. Die emotionale Verbindung von Menschen zu diesen Problemen beeinflusst letztendlich, ob wir diese eine digitale Lösung akzeptieren oder nicht. 

Künstliche Intelligenz führt die Digitalisierung dabei nicht einfach fort. Das ist zu kurz gedacht. Bei KI ist es anders, sie potenziert die Digitalisierung. Einfach ausgedrückt könnte man sagen, dass KI nun auf der Grundlage unserer Daten arbeitet, um Komplexität zu reduzieren und sie für uns Menschen leicht zugänglich zu machen. Bisher beruhten große technologische Fortschritte immer auf einer einzelnen Technologie wie der Dampfmaschine oder der Einführung des Personal Computers in den 80er Jahren. KI hingegen vernetzt sich mit den oben genannten Technologien, kombiniert sie und nutzt sie für ihre eigene Weiterentwicklung. Amy Webb beschreibt diese Fähigkeit als "Technology Super Cycle". 

Was ist Generative KI und wie wirkt diese? 

Generative KI ist ein Teilbereich der KI-Technologien, der darauf abzielt, Informationen in Echtzeit personalisiert und mit reduzierter Komplexität zu verarbeiten. Ein interessanter Aspekt ist, dass Generative KI Inhalte erzeugen kann, die zuvor nicht existierten, wie zum Beispiel Texte, Bilder, Musik oder Softwarecode. Dies ermöglicht vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in Bereichen wie Wissensarbeit, Kommunikation, Kunst, Design, Forschung, Werbung und Unterhaltung. 

Das zugrunde liegende Prinzip besteht darin, große Datenmengen so zu verdichten, zu reduzieren und an unsere Sinne anzupassen, dass eine erhebliche Reduktion der Komplexität für uns Menschen entsteht. Bekannte Technologien wie ChatGPT generieren und strukturieren Informationen. In Zukunft wird die Generierung und Strukturierung von Aufgaben und Prozessen für Unternehmen noch wichtiger werden. Das Konzept der statistischen Prognose von Aktionen, auch "Large Action Models" genannt, greift die Idee der Inhaltsproduktion (durch große Sprachmodelle) auf und entwickelt sie weiter. Diese Modelle leiten Aktionen basierend auf Benutzereingaben ab und führen sie aus. 

Um dies zu verdeutlichen: Während herkömmliche KI mit Hilfe von Predictive Maintenance den zukünftigen Zustand von Maschinen vorhersagt, kann mit Hilfe eines Large Action Models auch der entsprechende Dienstleister und der entsprechende Auftrag statistisch generiert und - nach einer menschlichen Freigabe - auch ausgeführt werden. In diesem Sinne können wir von sogenannten KI-Agenten sprechen, die eigenständig Aufgaben prognostizieren und diese entweder selbstständig oder in Zusammenarbeit mit einem Menschen ausführen.

Ausblick: KI als nächste Stufe der digitalen Evolution

Wir stehen an einem spannenden Punkt: Künstliche Intelligenz ist nicht mehr nur ein Hypethema – sie wird zum Werkzeug der nächsten digitalen Realität und Arbeitswelt. Während frühere Technologien Aufgaben digitalisiert haben, beginnt KI nun, die dahinterliegenden Denk- und Entscheidungsprozesse zu unterstützen und zu automatisieren. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Effizienz, sondern um echte Befähigung: Menschen können mit KI neue Kompetenzen erschließen, komplexe Probleme schneller lösen und kreative Ideen in kürzerer Zeit umsetzen.

Wer heute versteht, wie Generative KI funktioniert, kann morgen produktiver, agiler und innovativer arbeiten – ganz gleich, ob im Mittelstand, im Konzern, im Bildungswesen oder in der Forschung. Die nächste Welle der Transformation betrifft nicht nur Maschinen, sondern auch unsere Arbeitsrollen, unsere Art zu kommunizieren und zu lernen. Das Spannende daran: Viele dieser Werkzeuge sind bereits verfügbar und können sofort ausprobiert werden.

Jetzt ist der richtige Moment, sich mit KI auseinanderzusetzen – nicht als Selbstzweck, sondern als strategisches Werkzeug, um in einer komplexen Welt klarer zu sehen und schneller zu handeln. Wer diese Entwicklung aktiv mitgestaltet, wird nicht nur Schritt halten, sondern den Takt mitbestimmen.

Quelle und Autoren

Auszug aus dem Zukunftskapitel “Generative Künstliche Intelligenz in der Wirtschaft”  von Arne Rajchowski und Stephan Preuss im Buch “90 Jahre Stadtbau Würzburg”, erschienen im Achter Verlag 2024.
https://www.achter-verlag.de/buecher/wohnen-in-wuerzburg-neunzig-jahre-stadtbau/